Heute wohne und arbeite ich in München. Doch aufgewachsen bin ich von 1981-1996 im Univiertel von Augsburg, welches auf dem Gelände eines alten Flugplatzes entstanden ist. Deshalb trägt jede Straße im Viertel den Namen eines bekannten Piloten oder Flugpioniers.
Und weil keiner von den 11.000 Einwohnern des Stadtteils etwas darüber geschrieben hat, habe ich die Hemdsärmel hochgekrempelt und diesen Artikel verfasst.
✈️ Vom Alten Flugplatz zum Univertel Augsburg ✈️
Bevor der alte Flugplatz zum Univiertel in Augsburg wurde, vergingen viele Jahre. 1968 gab es die ersten Pläne diese 110 Hektar Fläche im Süden Augsburgs mit 7.000 Wohnungen zu bebauen. Geplant waren 8 – 20 geschossige Hochhäuser, in denen 25.000 Menschen wohnen sollten. Doch die „Traumstadt“ wurde nicht realisiert. Es wurde umgedacht und eingesehen, dass die Architektur der Wolkenkratzer aus Beton in München, Berlin, Frankfurt und Bremen nicht menschengerecht sei. So entschied man sich für eine „humane Bauweise“.
Am 16. Oktober 1970 wurde die Universität Augsburg von Ludwig Huber (bay. Staatsminister für Unterricht und Kultus) eröffnet. Erst 1978 erhielt der 32ste Stadtbezirk Augsburgs offiziell den Namen Universitätsviertel. In der Aufbauphase wurde das Viertel immer noch als Alter Flugplatz bezeichnet und unter den russischstämmigen Einwohner ist dieses Viertel als Klein-Moskau bekannt.
1981 wurde der erste Bauabschnitt des neuen Stadtteils mit ca. 1.900 Wohnung fertig gestellt. Die Wohnblöcke haben eine meist ringförmige Formation und konnten damals durch diverse Farben (grün, rot, weiß, schwarz etc.) unterschieden werden. Wir wohnten zunächst im grünen Block (Salomon-Idler-Straße), wo wir im November 1981 in diesem Viertel ein neues Zuhause gefunden hatten, nachdem wir aus der polnischen Kleinstadt Zawadzkie ausgereist sind.
Im Viertel befand sich noch eine provisorische aus Holz errichtete Kirche (zum guten Hirten mit Pfarrer Appelt) und die Bleriot Volksschule, die ich von 1981-1984 (2. – 4. Klasse) besuchte.
Univiertel – 2. Bauabschnitt
In der Unterführung der Lilienthalstr. zur Haunstetterstr. befand sich die Graffitiaufschrift „wir werden ver(kohl)t 1981“. Das war eine Anspielung auf den frisch gewählten Bundeskanzler Helmut Kohl. Aber auch auf einer Häuserwand der Zeppelinstr. hatten Unbekannte „Ami go home“ gesprüht. Wer kann sich noch daran erinnern? Es war ein antiamerikanischer Spruch.
Im Herbst 1983 zogen wir in den Alten Postweg 115. Vom Balkon aus dieser Wohnung (2. Stock) hatte ich einen freien Blick auf die im Süden liegenden Wiesen des Universitätsviertels.
Über die Jahre hinweg konnte ich beobachten, wie das restliche Univiertel (2. Bauabschnitt) entstand. Auf Spaziergängen mit meiner Mutter konnten wir den stetigen Fortschritt sehen. Wenn ich mich langweilte, griff ich zum Fernrohr und beobachtete die weiteren Bautätigkeiten aus dem westlichen Fenster unseres Wohnzimmers. Zuerst wurde der Alte Postweg mit der Salomon-Idler-Str. verbunden. Hier fuhr der Bus 22 vorbei, der später die Nummer 44 erhielt, weil dieser im 5 Minuten Takt verkehrte.
Auf der großen Wiese entstand ein Wohnblock mit einem Supermarkt (Gubi) und anderen Geschäften, wie z. B. einer Buchhandlung und einem Geschäft für russische Spezialitäten. Jahre später wurde ebenfalls auf dieser Wiese das neue Gebäude für die Kirche „Zum Guten Hirten“ errichtet. An der Grundsteinlegung war ich als Ministrant dabei. Überall entstanden Eigentumswohnungen von Graf & Maresch, die für günstiges Geld verkauft worden sind (z. B. 1 Zimmer Wohnung für 100.000 DM).
Die restlichen freien Wiesen samt Betonplatten, auf denen die Schafe weideten oder Kinder ihre Drachen steigen ließen, verschwanden langsam. Ich kann mich noch an einen Zirkus, eine Motoradgang und Sinti und Romas erinnern die sich zeitweise auf den Wiesen aufhielten. Aber auch kleine Modellflugzeuge ließ man in die Höhe steigen und „Autorennen“ wurden auf der Hügellandschaft neben der Uni veranstaltet.
Anfang 1993 hatte ich meine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker abgeschlossen und musste mir Gedanken über meine berufliche Laufbahn machen. Zu dieser Zeit hatte man schon die neue Straßenbahnlinie 3, die vor unserem Block verlief, geplant.
Im Januar 1994 bezog ich meine erste Wohnung in der Willi-Stör-Straße und absolvierte meinen Zivildienst in München. Zuvor hatte ich mich freiwillig bei dem Jagdbombengeschwader 32 (JaboG 32) auf dem Fliegerhorst Lechfeld beworben. Eine Entscheidung, die ich aber schnell revidierte, als der Krieg in Jugoslawien tobte.
Ich machte noch meinen Führerschein 1995 und es zog mich beruflich nach München. Nach ein paar Jobs und einer 3-jährigen Selbständigkeit hatte ich eine Ausbildung zum Fitnesstrainer absolviert und eine Festanstellung in einem Studio gefunden.
Wer von Euch kann sich noch an Fuzzy erinnern? Er war der Wurzelsepp des Univiertels und ziemlich bekannt. Wir zogen als Kinder mit ihm um die Ecken und manchmal gab er auch 1 Mark, damit wir uns ein Wassereis beim Biermann kaufen konnten. Als Kind war er Augenzeuge von Bombenangriffen der Alliierten auf Augsburg.
Leider lebt er nicht mehr. Aus der Augsburger Allgemeinen erfuhr ich, dass er von einem Jugendlichen umgebracht worden ist. Gott hab ihn selig!
In 2015 möchte ich noch ein YouTube-Video über das Viertel und seine Geschichte drehen. Wer hat Lust mitzumachen? Habt ihr vielleicht alte Bilder, die wir verwenden können?
Sehr nett beschrieben 🙂 ich habe übrigens von 1972 bis 1980 meine Kindheit im Univiertel bzw. Am Alten Flugplatz verbracht (in der Lilienthalstr. in den „schwarzen“ Wohnblöcken. Ging aber nicht in die Grundschule an der Bleriotstr. … ich war noch im Hochfeld, da die Grundschule damals noch nicht stand bzw. nicht eröffnet war. Ich bin Jahrgang 68 😉 Wir wurden noch mit bis zu 3 Gelenkbussen ins Hochfeld kutschiert 🙂 Seit 1980 wohne ich ebenfalls in München