Wie ich bereits angekündigt habe, möchte ich über mein Geburtsland Polen berichten. In meinem ersten Artikel möchte ich ein historisches Ereignis erwähnen, welches zeitgleich, mit unserer Ausreise aus diesem Land stattfand. Denn am 13. Dezember, vor 35 Jahren, wurde das Kriegsrecht in Polen 1981 (poln. stan wojenny) verhängt.
Ich war damals 8 Jahre alt und hatte verdammt viel Glück. Am 18. November fuhr meine Mutter mit mir und meinem Zwillingsbruder mit dem Taxi von unserer Heimatstadt Zawadzkie zum Breslauer Hauptbahnhof. Das Ziel war die Bundesrepublik Deutschland in der unser Vater bereits sich seit 1978 befand. Er kam, wie viele andere deutschstämmige Schlesier auch, zu Besuch und blieb. Die Ausreiseanträge unserer Mutter wurden mehrmals abgelehnt, doch dann klappte es. Mit uns am Breslauer Hauptbahnhof befanden sich ebenso 3 ausreisende Familien aus Zawadzkie. Der Abschied fiel schwer, denn wir dachten, dass es kein Wiedersehen mehr gibt.
Wir stiegen in den Zug, der über Leipzig nach Kassel fuhr. Von dort aus ging es nach einem Umstieg zum Aufnahmelager Friedland; es war geschafft. Wir blieben dort einige Tage bis unser Vater uns abholte und mit seiner Citroen Ente nach Augsburg fuhr.
3 Wochen später am 13. Dezember 1981 wurde das Kriegsrecht in Polen verhängt.
Wojciech Jaruzelski verhängt das Kriegsrecht in Polen
Ich kann mich noch an die Meldung der deutschen Tagessschau erinnern, die am 13.12.1981 berichtete, dass in Polen der Kriegszustand (poln. stan wojenny) verhängt worden ist. Damals verstand ich als Kind nicht die deutsche Sprache (die in Polen verboten war) aber die Bilder der Tagesschau haben sich mir eingeprägt. Das YouTube-Video zeigt die Tagesschau vom 19. Dezember in dem darüber berichtet wird.
Es war nicht möglich nach Polen anzurufen; sämtliche Telefonleitungen waren für Tage unterbrochen. Die Regierung wollte damit die Kommunikation der Gewerkschaft Solidarność im Inland verhindern.
Der General- und Regierungschef Wojciech Jaruzelski hatte in einem aufgezeichneten Video die Verhängung des Kriegsrechts (stan wojenny) verkündet. Dieses Video (siehe unten) wurde seit den frühen Morgenstunden des 13. Dezember 1981 stündlich gezeigt.
General Jaruzelski hatte seit 1968 als Verteidigungsminister eine zweifelhafte Karriere gemacht. Seine Armee war an der Niederschlagung des Prager Frühlings (1968) beteiligt und 1970 hatten seine Soldaten und Miliz in Danzig einen Arbeiterprotest niedergeschossen; es gab 42 Tote!
Wie kam es zu diesem Kriegszustand in Polen? Die polnische Gewerkschaft Solidarność wurde zu einer ernstzunehmenden Bewegung und einer Gefahr in der sozialistischen Volksrepublik Polen. Am 10. November 1980 wurde sie offiziell anerkannt und zählte bereits 10 Millionen Mitglieder. Mit Streiks und Protesten hatte sie das ganze Land lahmgelegt. Dies konnte die Kommunisten in Polen und der UdSSR nicht hinnehmen. Was wäre, wenn dies im ganzen Ostblock Schule machen würde?
Also wurde am 13. Dezember, vier Tage vor den geplanten Massendemonstrationen der Solidarność, der Kriegszustand in Polen verhängt. An diesem Tag kamen in Polen 70.000 Soldaten und 30.000 Man der Sondertruppe der ZOMO zum Einsatz. Es wurden mehr als 3.000 Personen, darunter fast die ganze Führungsriege der Gewerkschaft Solidarność und oppositionelle Intellektuelle, festgenommen und im ganzen Land Kontrollpunkte errichtet. Gerechtfertigt wurde die Verhängung dieses Zustands durch eine drohende Gefahr des Einmarschs der sowjetischen Armee. Ein Trick, wie sich später herausstellte. Protokolle des Politbüros in Warschau und Moskau zeigen, dass nie eine Invasion der „Sowjetbrüder“ drohte. Die USA und Großbritannien verurteilten dieses Vorgehen scharf und verhängten Handelsaktionen gegen die UdSSR.
In der Zeit des Kriegszustands wurden in Polen über 13.000 Menschen inhaftiert. Kinder von vielen politischen Häftlingen kamen in Heime. Vor Zivilgerichten freigesprochene Personen konnten problemlos als eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ eingestuft werden und in eine Psychiatrie eingeliefert werden. Ich hatte diesbezüglich sogar ein polnisches Buch in Warschau gelesen.
Als Folge dessen emigrierten über 22.000 Ingenieure, 3000 Ärzte und 3000 Wissenschaftler ins Ausland. Am 22. Juli 1983 wurde das Kriegsrecht (stan wojenny) offiziell aufgehoben.
2011 – Polnisches Verfassungsgericht – Kriegsrecht war Unrecht
Als Kind hatte ich diese Details nicht mitbekommen. Erst vor Jahren begann ich mich dafür zu interessieren und beschloss diesen Artikel darüber zu schreiben. Ich finde, dass die Opposition in Polen äußert mutig war!
Am 16. März 2011 hatte das polnische Verfassungsgericht entschieden, dass das Kriegsrecht in Polen nur im Kriegsfall hätte angewandt werden dürfen. Da Polen aber zu diesem Zeitpunkt nicht in einem Krieg verwickelt worden ist, war die Entscheidung vom 13. Dezember 1981 verfassungswidrig! Folgerichtig sprach das Bezirksgericht in Warschau den ehemaligen Innenminister, General Czeslaw Kiszczak (1981–1990), schuldig. Er war ein enger Mitarbeiter von Jaruzelski und war maßgeblich an der Ausarbeitung der Pläne für die Verhängung des Kriegszustandes 1981 beteiligt. Jedoch erhielt Kiszczak eine milde Bewährungsstrafe von 2 Jahren! Dies erinnert mich an die verurteilen DDR-Funktionäre und die vielen Mauertote.
Könnt Ihr Euch an dieses Ereignis 1981 im Nachbarland Polen noch erinnern?
Dass ein solcher „Ausnahmezustand“ noch heute möglich ist, zeigt die Situation in der Türkei. Nach dem Putschversuch wurden ca. 70000 Menschen verhaftet oder entlassen!
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